Seb outete sich vor seinen Eltern diese Woche – zum zweiten Mal. Wie sie reagiert haben und wie er ihnen erklärt hat, dass sie jetzt zu dritt zusammen Leben, lest ihr im fünften Teil von „Three Boys and a Cat“.

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Ich hätte nie erwartet, dass ich mich zweimal in meinem Leben outen müsste. Aber hier bin ich, an einem Mittwochabend im Norden von England - und bespreche „mein neues (Liebes-) Leben“ mit Mama und Papa.

Meine Mutter war Ärztin und mein Vater Historiker. Sie sind jetzt beide Ende 60, im Ruhestand und wohnen außerhalb von Manchester in einem kleinen Häuschen. Mama sieht aus, wie ein übergroße Hamster, der von einem unfähigen Tierpräparator ausgestopft wurde. Papa ist hingegen ein Strich in der Landschaft. Dünne schwarze Haare und ein ergrauter Kinnbart - Papa eben.
Ich habe ihnen alles erzählt. Jedes kleine Detail (außer unser Gefallen für doppelte Penetration und Three-Way-69s). „Und...wir leben zusammen,“ sage ich. „Alle drei zusammen.“ Nichts war wie geplant.

Mama plustert ihre Wangen auf und holt Luft. „Das heisst“, fragt sie. „Was ist mit Ben? Ich meine, wir haben Ben kennengelernt. Er ist sehr nett. Das heisst, dass er nicht mehr dein Freund ist?“
Innerlich bin ich am seufzen. Ich werfe einen Blick zu Papa. Es ist ein Versuch, irgend eine Art von Begnadigung zu finden. Sein Gesicht ist ausdruckslos. Ich wende mich zurück zu Mama.
„Lass es mich erklären – ja, er ist mein Freund, immer noch – aber wir haben eine andere Person kennengelernt, die uns auch gefällt, und jetzt sind wir drei.“

„Aber ich liebe Ben“, sagt Papa. „Er ist ein schlaues Köpfchen. Warum willst du das Beenden?“
„Ich beendete nichts. Und ich liebe ihn auch. Das soll auch nicht heißen, dass Ben und ich versagt haben oder das wir uns nicht mehr lieben. Es bedeutet nur, dass wir beide auch Gefühle für eine andere Person haben – gleiche Gefühle.“

„Wie sieht es mit Enkelkindern aus? Wie kann man drei Väter haben? Ich bin verwirrt, Seb. Ist es wie bei den Mormonen?“
„Mama! Nein! Jedenfalls nicht, dass ich wüsste. Es bedeutet nur, dass wir uns untereinander lieben und nicht nur uns beide. Theoretisch würden Kinder immer noch möglich sein. Sowieso, es ist nicht so, dass wir auf natürliche Weise Kinder haben können.“
Papa nimmt ein Stück Schokoladenkuchen von seinem Teller und nimmt einen Bissen. „Wie lange ist es her?“, sagt er, während er den Kuchen isst.
„Ein paar Monate“, sage ich. „Seit Juni oder so.“

„Teilt ihr das selbe Bett? Oder wechselt ihr?“ fragt meine Mutter, als sie an ihrem Glas Rioja nippte.
Ein Stück Schokoladenkuchen fällt meinem Vater aus dem Mund auf seinen Teller. Sein kalter Blick bricht für eine Minute und die Verwirrung trübt seine Gesichtszüge.
„Julie, ich glaube nicht, dass wir das wissen müssen,“ sagt meinen Vater. „Aber ähm, vergiss nicht – naja, safe zu bleiben und so-“, er senkt seinen Kopf leicht nach vorn. Es ist sein Versuch mir zu zeigen, dass er „verstanden hat“ wie es ist schwul zu sein. Was er nicht so einfach nachvollziehen kann.
„Danke, Papa“.

„Hört sich für mich nach mehr Mühe an, als es wert ist. Heißt es eigentlich, dass du und Ben - wie heißt es doch gleich - polytechnisch seid?“
Polyamor? Ja, vermute ich. Aber wir sind nicht wie Swinger, Mama, wir mögen Luc einfach nur.“
"Du weisst deine Tante Catherine hatte zwei Freunde, die ein bisschen wie du waren. Sie waren offen für alles Mögliche. Sie sagte, dass alles ein wenig wie ein Alptraum war. Aber jetzt, scheint das ja alles erlaubt zu sein. Wie auch immer, du kennst mich. Ich habe nichts dagegen, wenn es dich glücklich macht soll es so sein. Wann werden wir ihn kennenlernen?“
 

"Ich glaube Mama war besoffen, jetzt wo ich so darüber nachdenke."

Ich blicke zwischen Mama und Papa hin und her und sage kein Wort. Ich erinnere mich an das erste Mal meines Outings. Wie ich, als ich achtzehn war, einen Brief unter der Küchentür schob, um denen über meinem Freund zu erzählen und wie er mich betrogen hatte. Sie wussten es schon, natürlich. Eltern haben ein Auge für Details – zumindest die Meisten. Aber diesmal - dieses Outing? Ich glaube nicht, dass jemals jemand es vorhersieht. Es fühlt sich an, als wäre eine Hälfte meines Körpers wieder in den Schrank gekrochen. Und eine Dreiecksbeziehung zu offenbaren ist sehr viel schwieriger.

„Ähm,“ sagte ich, und griff Mamas Weinglas und nahm einen Schluck. „Ich weiß es nicht. Wann wollt ihr ihn kennenlernen?“
„Na ja, wir müssen wissen, wer er ist, was er macht. Ist er nett? Eigentlich brauchst du das nicht beantworten, natürlich ist er nett.“
Mama quatsch wieder. Papa ist ruhig und versucht seinen Schokoladenkuchen weiter zu essen.
„Papa?“, frage ich. „Was machen seine Eltern?“ sagt er und lächelt.
„Nun...das ist ein bisschen seltsam. Sein Vater ist Arzt,“ sage ich ...aber ich erzähle ihnen nicht, dass er eigentlich Reflexologe ist. „Und seine Mutter, na ja, sie steht auf alternativen Therapien mit Hühnern.“

„Nun, dass habe ich nicht erwartet,“ sagt Papa. „Ich nehme an, dass bedeutet das du jetzt noch weniger Waschladungen zu uns bringst?“
Wir unterhalten uns offen über die verschiedenen Rollen in unserer Beziehung. Nichts sexuelles, natürlich. Nur wie jeder seinen Teil der gesamten Last trägt. Wir werden sehen was passiert, wenn sie Luc treffen. Aber momentan ist es unheimlich angenehm.

Lies auch unsere ersten vier Teile:
Three Boys and a Cat - Was kann schon passieren?
Three Boys and a Cat - Der Klub
Three Boys and a Cat - Eifersucht!
Three Boys and a Cat - Bejing calling

Seb Heath ist ein Pseudonym für einen Schriftsteller der in London zwischen Luxus und Studium lebt. Seb hat schon über alles geschrieben: von der Wirtschaftsreform, den Präraffaeliten bis hin zu 5* Hotels. Er wird unsere neue Kolumne für euch schreiben. Ihr könnt Seb auch direkt kontaktieren und ihm bei twitter unter @seb_heath folgen.

 

 

 


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