Stell dir vor, du schaust in ein Gesicht, das deinem fast identisch ist und auch die Statur der Person vor dir passt zu deiner eigenen. Du schaust aber nicht bloß dein Spiegelbild an, sondern deinen eineiigen Zwillingsbruder, der zu allem Überfluss auch noch schwul ist - genauso wie du. Für viele dürfte diese Szenerie etwas skurril wirken. Für Daniel und Oliver aus Hamburg ist sie hingegen ganz normal. Gay.de hat die beiden Gay Twins zum Interview getroffen.
von Sven
Weltweit ist im Schnitt jede 40. Geburt eine Zwillingsgeburt und die Wahrscheinlichkeit eineiige Zwillinge zu bekommen ist noch 4-Mal kleiner. Allerdings ist die Chance sehr hoch, dass wenn einer der Zwillinge homosexuell ist, dass es der andere auch ist. So war es auch als Daniel und Oliver auf die Welt kamen. Beide sahen schon bei der Geburt aus wie das Spiegelbild des anderen. Sie kommen aus Schleswig-Holstein, aus der Nähe von Timmendorfer Strand und sind mit dem Herzen auch mit dem Norden verwachsen. Sie haben ihre Kindheit und Jugend viel Zeit am Strand verbracht, weshalb es sie auch heute noch in ihrer Wahlheimat Hamburg oft ans Wasser zieht. Unser Gay.de-Redakteur Sven hat sich mit den Gaytwins, wie sie sich auf ihrer Instagram-Seite nennen, getroffen und den beiden mit heiklen Fragen auf den Zahn gefühlt.
Wenn ihr euren Bruder anschaut, seht ihr dann euch selbst? Ist es, als ob ihr in den Spiegel blickt? Oder empfindet ihr euch als total unterschiedlich?
Oliver: Wenn ich in den Spiegel schaue, dann sehe ich mich und nicht Daniel in dem Spiegelbild. Für uns ist es von Geburt an einfach total normal, dass wir tagtäglich das Gesicht des anderen sehen.
Daniel: Wir zwei empfinden uns selbst als Zwillinge und beste Freunde zugleich. Eine Kombination, die wir jedem wünschen würden, da man sich einfach blind versteht. Deshalb kennen wir unseren Bruder wohl auch so gut, wie keinen anderen auf der Welt. Gerade deshalb sehen wir viel mehr die kleinen Unterschiede, die auf den ersten Blick auf der Straße vielleicht nicht jedem auffallen, wenn sie uns als Zwillinge sehen.
Oliver: Daniel und ich haben uns aber auch bewusst immer auf den gleichen Pfaden bewegt. Wir wohnen seit 12 Jahren beide in Hamburg und seit drei Jahren sind wir sogar direkte Nachbarn. Wir wohnen in spiegelverkehrten Wohnungen nebeneinander. Selbst beruflich haben wir uns in die gleiche Richtung entwickelt: Wir arbeiten beide im Sales Bereich für ein Fashion-Label.
Zwillinge berichten häufig von einer besonderen seelischen Verbindung. Wann habt ihr euch gegenseitig bei eurem Bruder geoutet? Habt ihr es gegenseitig bei eurem Bruder gespürt, dass er auch auf Jungs stehen könnte oder war eure Entwicklung bei der eigenen Sexualität unterschiedlich?
Daniel: Wir zwei haben ständig gleiche Gedanken, das ist schon fast gruselig. Manchmal kommt es sogar vor, dass einer von uns mit unserer Mum telefoniert und etwas zu erzählen hat. Unsere Mutter wundert sich dann auch, wenn der jeweils andere ein paar Minuten später - völlig unabhängig voneinander - mit derselben Geschichte bei unserer Mutter anruft.
Oliver: Outen mussten wir uns nicht gegenseitig. Wir wussten voneinander von unserer Homosexualität, auch ohne darüber sprechen zu müssen.
Viele Homosexuelle kennen die Ängste vor dem Coming-Out bei der eigenen Familie. Wie werden die Mutter und der Vater die Botschaft auffassen? Wie war die Reaktion eurer Familie auf die Homosexualität von euch beiden? Habt ihr euch zum selben Zeitpunkt geoutet?
Oliver: Wir haben ein sehr gutes familiäres Verhältnis, daher war uns von Anfang an irgendwie auch klar, dass es keine Probleme geben wird.
Daniel: Mein Bruder hatte das Outing bei unserer Mutter als erstes erledigt, dann aber gleich für uns beide. Ich hatte die Aufgabe dann ein paar Wochen später bei unserem Vater übernommen. Probleme hatten unsere Eltern damit zu keinem Zeitpunkt.
Oliver: Übrigens auch nicht der Rest unserer Verwandtschaft - über Tante, Onkel, Cousin & Co., für alle war es ganz normal.
Blond, blaue Augen, gleiche Statur – man sieht eindeutig, dass ihr eineiige Zwillinge seid. Mit den Tätowierungen, die ihr habt, ist es für Außenstehende nun einfacher euch zu unterscheiden, aber diese habt ihr auch noch nicht immer gehabt. Habt ihr schon Andere getäuscht, indem ihr die Rolle des Bruders eingenommen habt?
Oliver: Nee, komischerweise hatten wir hier nie so richtig das Bedürfnis. Der ein oder andere kleine Streich, mehr aber auch nicht. Es ist nicht so wie in den typischen Hollywood-Streifen gewesen, wenn die Hauptpersonen Zwillinge sind. Unsere Eltern konnten uns sowieso immer sehr gut unterscheiden.
Ihr seid auf den ersten Blick ein ziemlich unzertrennliches Team, hat da ein Partner überhaupt Platz in eurem Leben? Hattet ihr schon mal die Situation, dass euer Bruder einen Schwarm oder Freund nicht mochte? Wie wichtig ist euch die Zustimmung des Bruders bei der Partnerwahl?
Daniel: Wir machen echt viel gemeinsam, in einer Beziehung hat jeder von uns aber auch das Bedürfnis Zeit alleine mit seinem Partner zu verbringen. Unser enges brüderliches Verhältnis war bei Beziehungen bisher nie ein Problem. Und mit einem Partner des anderen hatten wir bisher auch noch nie Schwierigkeiten. Oliver hat anscheinend einen genauso guten Geschmack wie ich.
Ihr sagt ihr seid Zwillinge, schwul und beste Freunde. Wie ähnlich seid ihr euch? Habt ihr gleiche Interessen, denselben Freundeskreis und vielleicht auch einen ähnlichen Männergeschmack?
Oliver: Ja, Ja und Ja! Uns gibt es eben doch nur im Doppelpack. Ein Leben ganz ohne den anderen Bruder könnten wir uns beide nicht vorstellen. Und durch das enge Verhältnis haben wir uns auch in sehr ähnliche Richtungen entwickelt.
Wissenschaftlich gesehen, gibt es eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass wenn ein Zwilling homosexuell ist, dass es der andere Teil auch ist. Gibt es in eurer Familie noch weitere Zwillinge oder Homosexuelle?
Daniel: Bei uns in der Familie gibt es tatsächlich recht viele Zwillinge, homosexuell ist da aber sonst keiner.
Sicherlich fragt sich jeder Gay.de Nutzer beim Gedanken an Gay-Twins ganz bestimmte Dinge: Werdet ihr häufig gefragt, ob Männer mit euch einen 3er haben können? Gab es vielleicht auch schon Angebote gegen Geld?
Oliver: Anfragen zu Dreiern sind an der Tagesordnung. Für uns inzwischen eher eine lästige Frage, auf die es dann auch eher keine Antwort oder immer dieselbe Antwort gibt. Wir können aber auch andere verstehen, die da Ihre Phantasie mit Zwillingen haben. Wir sind ja alles nur Männer.
Einen eineiigen Zwillingsbruder zu haben ist sicherlich der Traum aller schwulen Männer – wer würde nicht gern mit sich selbst ins Bett steigen?! Phantasien denken dann vermutlich an Liebe unter Zwillingen: Aber wie ist es in der Wirklichkeit, ist Twincest für euch ein Thema oder völlig unmöglich?
Daniel: Ein absolutes „No Go“! Es ist klar, dass die Frage gestellt wird, aber das kommt für uns nicht in Frage. Nur weil wir beide Zwillinge und schwul sind, ist es nicht anders als bei anderen Geschwistern, die ja auch nicht ins Bett miteinander steigen.
Schwule sind eine Minderheit und unter den Homosexuellen seid ihr auch noch eine Besonderheit. Kennt ihr andere homosexuelle Zwillinge? Gibt es vielleicht eine Gay Twin-Community, die sich untereinander vernetzt?
Oliver: Ganz so viele Gay Twins kennen wir dann nicht. Kennen noch schwule Zwillinge aus Köln bei denen beide schwul sind und dann Zwillinge aus Hamburg bei denen aber einer straight ist.
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