Mike und ich/Teil 102

September 19

Seit einigen Tagen hatte ich bemerkt, dass Mike etwas ruhig geworden, ja sogar nachdenklich geworden ist. Dennoch hielt ich es für angebracht, erstmal die Füße still zu halten, denn wenn ihn etwas beschäftigt, würde er sich früher oder später an mich wenden, um mir zu erzählen, was ihn so beschäftigt, so wie es bisher immer gewesen war. Darum ließ ich ihn erst in Ruhe. Auch sexuell schien eine Ruhephase entstanden zu sein. Aber wie schon gesagt, Bedrängen war nicht so mein Ding, er würde sich schon entsprechend äußern.

Eines Morgens bekam ich zufällig eine Gespräch zwischen einem unserer Auszubildenden und einem Gesellen mit, in dem der Azubi erzählte, dass Mike momentan wohl etwas gereizt und ungeduldig wäre, was er bisher bei ihm noch nie erlebt hätte. Mike wäre ein phantastischer Ausbilder, der sich immer genügend Zeit nahm Dinge zu erklären und wenn er etwas nicht sofort verstanden hätte, hätte Mike stets ruhig und fast in väterlicher Weise nochmals alles durchgekaut, bis der Groschen gefallen war. Aber in den letzten Tagen wäre er fast unausstehlich geworden, was den Azubi traurig machte, weil er eigentlich sehr große Stücke auf Mike gehalten hatte. Der Geselle hatte gemeint, dass er das nicht so tragisch nehmen solle, schließlich habe jeder mal einen schlechten Tag und dem Chef stünde das ja auch zu, wenn man bedenken würde, was der arme Kerl so alles im die Ohren habe.

Noch mit den Gedanken bei dem Gespräch ging ich zurück ins Büro. Als Kristin mich unvermittelt ansprach, zuckte ich regelrecht zusammen.

„ Sorry, wollte dich nicht erschrecken, aber du scheinst mit deinen Gedanken woanders zu sein. Alles in Ordnung?“

„Tschuldigung, ja, ja, alles klar.“

„Wirklich?“

„Jahaaaaaa.“

„Da, da war gerade jemand hier im Büro und hat nach dir gefragt. Ein junger Typ, könnte

die Twenausgabe von Marvin sein. Sah echt gut aus der Kerl. Ein richtiger Schnuckel.,“ dabei grinste sie übers ganze Gesicht.

„ Ach ja? Das muss Marc gewesen sein, der Sohn von Marvin, der wohnt vorübergehend bei uns. Was wollte er denn?“

„ Keine Ahnung. Er hat nach dir gefragt, kommt aber gleich wieder. Hat er gesagt. Als er gegangen ist. Da hat er sich doch tatsächlich nach mir umgedreht, gegrinst und mit zugezwinkert. Ganz schön kess, nicht wahr?“

„ Ooooch und das war dir bestimmt sooooooooooo unangenehm, nicht wahr?“

„Pah, der kennt mich doch gar nicht und macht mich dann so an;“ sagte Kristin mit gespielter Empörung.

Da ich noch mit dem Rücken zur Tür stand, hörte ich diese aufgehen und kurz darauf Marcs Stimme:“ Ah gut, da bist du ja. Muss dir was sagen.“

Ich drehte mich um und keinen Meter vor mir war Marc zum Stehen gekommen. Ja, er sah wirklich aus wie die Twenausgabe von Marvin, da hatte Kristin Recht.

„Und? Wo brennt`s?“

„Nix brennt. Ich habe ne Butze. Die von Stefan. Kann sofort rein. Wollte mich nur kurz winke-winke machen und mich vor allen Dingen bei dir und Mike für eure Gastfreundschaft bedanken. Ist er auch hier? Wer ist übrigens das hübsche Wesen an dem anderen Schreibtisch?“

„Nein und Kristin?“

„Hä?“

„Nein, Mike ist nicht da und das ist Kristin, meine rechte Hand.“

Zu Kristin gewand sagte ich:“ Und das ist Marc, Marvins Sohn. Er fängt in der IT- Abteilung und im Controlling der Wohnungsbaugesellschaft an.“

„Hi, Marc,“

„Hi, Kristin.“

„Och, das war ja ein kurzes Kennenlernen, wenn du jetzt wegziehst.“

„Na ja, bin ja nicht aus der Welt. Und wenn du möchtest, können wir ja mal essen gehen. Und vielleicht auch mehr.“

„Wie bitte?“

„Ne, nicht falsch verstehen, meinte anschließend vielleicht noch in einen Club. Sorry, hab mich da wohl ein wenig doof ausgedrückt.“

„ Das kann man wohl sagen, aber essen gehen wäre schon mal nicht schlecht.“

„Prima, wann hast du Zeit? Vielleicht heute Abend schon, wenn ich mal so forsch fragen darf?“

„Mein lieber Mann, du legst ja ein ganz schönes Tempo vor. Aber heute Abend ginge, nur mit dem Club kannste streichen, morgen ist wieder arbeiten angesagt.“

„ Okidoki, freue mich. Wo und wann soll ich dich abholen?“

„ Hier hast du meine Nummer. Schick mit eine Whatsapp, wenn du ein Lokal gefunden hat. Komme dann dort hin. So gegen 20 Uhr würde mir passen.“

„ Sehr wohl, Mylady. Werde mich entsprechend melden. Wohl an, bis dann.“ Mit einer höfischen Verbeugung und ausladenden Handbewegung verabschiedete er sich und verschwand durh die Tür. Und ich meinte ein ausgestoßenes „ Ja“ von draußen gehört zu haben.

Als ich mich umdrehte hatte Kristin immer noch ihren verträumten Blick auf die mittlerweile geschlossene Tür gerichtet.

„Oh, oh, da hat es wohl mächtigen Funkenflug gegeben.“

„ Quatsch, ist doch nur ein Essen, ein zwangloses Essen eben. Da ist nichts.“

„ Ja, ja und der Papst ist evangelisch.“

Kristin antwortete nichts, aber ich sah eine leichte Röte in ihrem Gesicht aufsteigen. Um sie nicht weiter in Verlegenheit zu bringen, hielt ich lieber die Klappe. Es kamen mir das angehörte Gespräch und Mikes Verhalten wieder in den Sinn.

Heute Abend würde ich aus ihm herausprockeln, was ihn so beschäftigt. Aber das musste ich natürlich sehr gefühlvoll anstellen, denn egal welche Sache es ist, sie beschäftigt ihn sehr und scheint ihn meiner Meinung nach auch zu belasten. Also sind Samthandschuhe angesagt.

In eigener Sache: Bin jetzt für einige Zeit in Urlaub.