Pardone, können Sie mich schwul machen? Teil II

Juli 28

" Wohin fahren Sie, wie weit darf ich mitfahren? Oh pardon, ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt. Ich heiße Michele. " Er steckte mir seine Hand zum Gruß entgegen. Ich ergriff sie und erwiderte den Händedruck. " Ich heiße Andy. Heute fahre ich nur noch bis Perpignon. Morgen geht's dann irgendwann weiter. Mal sehen, was sich ergibt. Ich habe vier Wochen Zeit. Da könnte ich an einem Ort so lange bleiben, wie es mir gefällt. Und wo möchtest du hin? Wenn ich fragen darf " " Oh, Sie habe mich mit Du angesprochen. Darf ich Sie auch duzen? Das ist dann etwas einfacher für mich. Und um auf Ihre, ich meine deine Frage zu antworten, mein Ziel ist Sagres in Portugal. Dort ist der südwestlichste Zipfel Europas. Kennen Sie, pardon du, Portugal oder Sagres? " " Natürlich kenne ich Sagres. Ich hatte vor vielen Jahren in Lagos gewohnt, gerade mal fünfzig Kilometer von Sagres entfernt. Aber sage mal, woher sprichst du so gut deutsch? " Bevor ich den Motor wieder startete, musterte ich meinen neuen Fahrgast erstmal genauer und schaute ihn fragend an. Er war schlank, hatte kurzes, kastanienbraunes Haar, schmale Augen in derselben Färbung, trug ein schlichtes, weißes T-Shirt und eine kakifarbene Bermudashort. Seine Füße steckten strumpflos in weißen Sneakers. Die Short bedeckte nur ein wenig seine muskulösen Oberschenkel und auch an den strammen Waden konnte ich sehen, daß der junge Mann entweder viel läuft, Fahrrad fährt oder schwimmen musste. " Ich studiere an der Uni in Lyon Sprachen. Mein Wunsch ist, Fremdsprachenlehrer für Englisch und Deutsch zu sprechen. Mein Opa hat eine deutsche Herkunft und die Sprache hat mich schon immer fasziniert. " Mittlerweile surrten die Reifen schon wieder über den Asphalt der Autobahn. " Aha, klingt interessant. Und nun hast du Semesterferien? Wie lange musst du denn noch studieren? " Ich schaute abwechselnd auf die Straße und in das Gesicht des jungen Mannes. " Zwei Semester habe ich noch. Danach dann etliche Praktika und dann hoffe ich, bin ich fertig. " Michele schaute mich die ganze Zeit an. Dabei fummelte er am Beifahrersitz herum. " Kann man den Sitz etwas nach hinten schieben? Dann hätte ich etwas mehr Platz für meine Beine und den Rucksack. Bis Perpignon sind es ja noch knapp hundert Kilometer. " " Da vorn kommt ein Parkplatz. Dort halten wir kurz an und du kannst deine Sachen nach hinten legen. Dann bekommst du etwas mehr Beinfreiheit. Der Sitz lässt sich leider nicht verschieben. Das Auto ist schon alt und die Schiebevorrichtung funktioniert nicht mehr so richtig. " Ich steuerte den nächsten Parkplatz an, stieg aus und öffnete die Seitentür. " Michele schaute hinein und stellte fest: " Ist ja ganz schön geräumig hier. Sieht von außen gar nicht so groß aus. " Dann stellte er seinen Rucksack in den Wohnbereich, ging danach an einen Baum und ein Plätschern drang durch die Stille der Nacht. Nur ein paar Grillen zirpten um die Wette. Erleichtert stieg er wieder auf den Beifahrersitz und versuchte, seine Beine so bequem, wie möglich in Stellung zu bringen. Da er mit seinen Knieen an das Handschuhfach stieß, musste er seine Beine etwas spreizen. Noch 92 Kilometer bis Perpignon, zeigte eine Tafel am Rand der Autobahn an. Die kurze Strecke wird Michele ja wohl in dieser Haltung aushalten können. Wie sage ich immer? Lieber schlecht gefahren, als gut gelaufen. Nach einigen weiteren Kilometern, griff sich Michele an seine Gesäßtasche und zog eine Geldbörse hervor. " Du musst nichts bezahlen. ", sagte ich, als ich das sah. " Nein, nein. Die drückt nur am Arsch. Darf ich die hier vorne........?" Mit diesen Worten öffnete er das Handschuhfach und wollte die Geldbörse hineinlegen. " Upps! ......", entfuhr es seinem Mund: "...... Das hat wohl Ihre, Verzeihung deine Frau beim letzten Mal hier vergessen. " Er zog ein Magazin mit nackten Männern auf dem Cover hervor und wedelte damit vor meiner Nase. " Ich bin nicht verheiratet. " Ich versuchte, ihm das Heft zu entreißen. " Na dann eben deine Freundin. Ist ja heutzutage alles möglich. Hat die das denn nötig? Die hat doch dich! Und so schlecht siehst du ja nun auch nicht aus. " Michele klammerte sich an das Magazin. " Lass mal sehen ! ", fügte er noch hinzu und blätterte darin herum. " Nein, ich habe auch keine Freundin. Das da gehört mir. Seitdem mich mein Partner hat sitzen lassen, kaufe ich mir öfter mal solche Bildbände. ", sagte ich etwas verlegen. Man weiß ja nie, wie die Jugend heutzutage darauf reagiert. Außerdem mag ich das Wort Pornoheft nicht. Es klingt so obszön und altbacken. " Was heißt sitzen lassen? Diese Wortwahl kenne und verstehe ich nicht. Pardon. " Michele schaute mich aus seinen Augenwinkeln fragend an, blätterte aber weiter zwischen den Seiten hin und her. " Wie soll ich dir das erklären? ........" Ich startete einen Versuch: " ......Das ist, wenn man sich in einer Beziehung befindet, sich etwas zusammen aufgebaut hat und dann eine andere Person kommt, mir der dein Partner dann verschwindet. Verstehst du, was ich damit sagen wollte? " " Sag' doch gleich, er hat dich mir der anderen Person betrogen. Das verstehe ich. " Michele schaute zu mir hoch, berührte sachte meine Schulter und stellte die Frage: " Darf ich wissen, wie dein Mann oder Partner hieß, nein heißt? Er lebt ja immer noch. " Ich schluckte und antwortete wahrheitsgemäß: " Ja, das denke ich doch, daß er noch lebt. Aber hier drin ist er bereits gestorben. Marcel heißt der Mistkerl. " Dabei schlug ich mir auf meine Brust. Auf die Stelle, wo sich normalerweise ein liebendes Herz befindet: " Siebzehn Jahre waren wir zusammen. Doch nun hat er es vorgezogen, mit einem anderen leben zu wollen. Aber lass uns bitte nicht mehr darüber sprechen. Die Zeiten sind vorbei. " Pardone moi. ", entfuhr es Michele. Obwohl er sich gar nicht entschuldigen musste. Er konnte es ja nicht wissen. Leise legte er das Magazin wieder ins Handschuhfach und schloss die Klappe fast ebenso geräuschlos. " Darf ich fragen, wie alt du bist? ", ich lenkte das Thema auf eine andere Schiene. " Letzte Woche achtzehn geworden. ", kam prompt die Antwort. " Und du? ", folgte darauf die Gegenfrage. " 56 " " Aha ", brabbelte Michele vor sich hin. Dann war Stille. Erst kurz vor Perpignon schien er gedanklich wieder anwesend zu sein, denn er sagte auf einmal: " Bieg' mal hier ab. Die Gegend kenne ich. Ich hatte oft mit meinen Eltern hier Urlaub gemacht. Im Ort, der gleich kommt, befindet sich ein Natur- Campingplatz. Nicht, was du jetzt gestimmt denkst. Nix für nackte Menschen! Das ist ein naturbelassenes Stück Fläche direkt am Strand. Die Ecke kennt kaum jemand, da finden wir bestimmt noch einen Platz. Und teuer ist die Stellplatzmiete auch nicht. " Ich folgte seinen Anweisungen und etwas eine halbe Stunde später standen wir in Strandnähe. Nur vereinzelt zeigten sich eh paar Sterne am Himmel über der Cote azur.

Fortsetzung folgt......