Saufen ist auch keine Lösung Teil I

Juli 25

" Darf ich mich zu dir setzen? " Ein junger Mann schaute mich fragend an. " Von mir aus. Bitteschön. " Ich deutete stumm und ganz nebenbei auf den Hocker neben mir am Tresen. Der Typ, lass ihn etwas über zwanzig gewesen sein, schlank, dunkelblonde Haare, Nickelbrille auf der Nase und ein kleines Bärtchen, welches sich über seinen schmalen Lippen breit machte, setzte sich auf den Barhocker neben mich: " Probleme? " Er blickte mich mit seinen grau-blauen Augen scharf an: " Ich habe dich schon eine ganze Weile beobachtet. Du sitzt nur da, kippst einen Whisky nach dem anderen in dich rein. Also was ist? Du hast doch Probleme. " " Kann man wohl sagen. " Hängt der Haussegen schief? " " Wenn es nur das wäre. Das ganze Haus ist zusammen gebrochen. " Ich gab mir Mühe, deutlich und klar zu sprechen, obwohl meine Zunge schon durch den übermäßigen Alkoholgenuß immer wieder ins stolpern kam. " " Hat dich deine Alte rausgeschmissen? " " Nicht meine Alte, mein Freund hat mir den Laufpass gegeben. Der Scheißkerl hat sich 'nen jüngeren geschn.....nappt und ist mit ihm über alle Berge. Nur diesen dämlichen Wisch hat er da gelassen. " Ich knallte den zerknautschten Zettel auf den Tresen und nahm einen großen Schluck aus meinem Glas. Dann schaute ich mir den jungen Typ nochmal etwas genauer an. Er trug ein weißes Muskelshirt über seinem athletischen Oberkörper. Eine enge, kurze ausgefranste Jeans und weiße Turnschuhe. " Aber wer bist d....du.....denn eigendlich? Bin ich dir Rechen.......nschaft....

schuldig? Ich denke, nein. " Der junge Mann legte mir seinen Arm auf meine Schulter und sagte freundlich: " Nee Kumpel. Natürlich nicht. Ich hatte mir nur gedacht, du könntest etwas Unterhaltung gebrauchen. So traurig, wie du hier rumsitzt. Ich wollte mich wirklich nicht aufdrängen. Sorry. Ich geh dann mal wieder. Nichts für ungut. " Er machte Anstalten sich von seinem Hocker zu erheben. " Nee, Alter. Jetzt bist du schon mal da, da können wir auch einen zusammen trinken. Bleib sitzen. Ich kann jetzt wirklich etwas Geselligkeit gebrauchen. " Ich drückte den jungen Mann wieder auf seinen Sitz. Nach genauerem Hinsehen, gefiel er mir sogar ein wenig. Ich legte meine Hand auf seinen Oberschenkel und streichelte ihn sanft. " Aber d..du hast mir noch ni.....icht verraten, wie du heißt. Mein Freund hat mich immer nur Andymaus genannt. Habe sch.....schon fast vergessen, daß ich ei... eigentlich Andreas heiße. Aber du, mein schnuckeliger Freund darfst mich ruhig nennen, wie du willst. Also was trinkst du? Oder le...heeen..st du das ab, mit mir alten Sack einen hinter die Binde zu kippen? " " Ganz und gar nicht. Aber zuerst mal nimmst du mal deine Hand aus meinem Schritt. Soweit sind wir noch nicht. " "Oh ent.....sch..schuldige bitte. " Eiligst zog ich meine Hand zurück und haute symbolisch mit der anderen Hand darauf. " Ist schon gut, ist ja nichts passiert. Ich heiße Pietro. Freut mich, dich kennenzulernen. " Der junge Typ stand kurz auf, deutete eine Verbeugung an und reichte mir die Hand. Dann setzte er sich wieder neben mich, rückte den Hocker näher an mich heran und flüsterte mir ins Ohr: " Du darfst aber Pitti zu mir sagen. " " Ach du meine Nase. Platsch Quatsch. ", rutschte es aus mir raus. " Genau der. Ich sehe du kennst die Puppe aus dem Kinderfernsehen der ehemaligen DDR. " " Was darf dir denn der Barkeeper zubereiten? Ich zahle. " " Tequila Sunrise, wenn ich darf " " Natürlich darfst du. Du bist heute mein Ga......hick......hast. "; und zum Schnuckel hinter dem Tresen: " Bei mir lass mal die Luft raus und mix' dem süßen Pittiplatsch mal seine Brühe zusammen. " " Bitte Andy! Bitte nenne mich nicht Pittiplatsch, einfach nur Pitti " Der junge Mann schaute mich etwas strafend an, lächelte dann aber kurz darauf wieder. " Und wie geht's nun weiter, mit dir und deinem Freund? " fragte er mich nach einer kurzen Pause und rührte mit einem Strohhalm in seinem Cocktail herum. " Tja, das weiß ich auch nicht. In die Wohnung kann ich nicht zurück, die gehört ja ihm. Er hat mir auf diesem Zettel zwar geschrieben, er gibt mir noch drei Tage Zeit, um auszuziehen. Aber was ist dann? Wo soll ich hin? Dabei ha......hick......atte ich extra wegen ihm mein wunderschönes Appartment aufgegeben und bin zu ihm gezogen. Die Drecksau, die dammische! " Ich haute mit der Faust neben meinem Glas auf den Tresen. Einige Gäste drehten sich erschrocken zu uns um. " Na ist doch wahr! ", schnautzte ich sie an. " Andymaus, bleib ruhig. Das bringt doch nichts. " Pitti legte vertrauensvoll wieder seinen Arm auf meine Schulter. " Aber wenn's doch so ist?! ", maulte ich trotzig nach: " Das Schwein lässt mich wegen solch' einem Milchgesicht sitzen und schert sich nicht mal drum, daß wir ganze siebzehn Jahre zusammen waren. Verstehst du? Siebzehn verdammte Jahre! Und jetzt! Je....hick ...etzt soll auf einmal Schluss sein. Kannst das verstehen?! " Ich merkte, daß die Leute um uns rum, mich weiter anschauten. " Ist ja schon gut. Ihr könnt euch wieder unterhalten. Bin ja schon leise. ", sagte ich beschwichtigend und schneutzte in mein Taschentuch. Mit einem kräftigen Schluck, leerte ich mein Whiskyglas und reichte es dem Schnuckel hinter dem Tresen. Dieser füllte es erneut und stellte gleich die ganze Flasche daneben. " Ich glaube mal, das werden heute wohl noch einige mehr. Bediene dich einfach selbst. Ich mache jetzt nur noch Striche. " Er nickte mir zu. " Was machst du denn heute Abend? Hast du schon eine Bleibe für die Nacht? " Pitti schaute mich von der Seite forschend an. " Nee. Wo denn. In der Stadt ist Messe, da sind alle Hotels proppevoll. Was meinst du denn warum ich hier sitze und versuch.....hick......che die Nacht rumzukriegen? Außerdem würde mich doch kein Hotel mehr in diesem Zustand aufnehmen. Und zur Bahnhofsmission brauche ich erst re.....hecht nicht mehr gehen. Da sind nur Penner und die ist um diese Zeit eh schon voll. Nee, mein Freund. Ich bleibe heute hier und morgen schaue ich dann mal Zuhause nach, ob die Luft rein ist. Dann nehme ich meine nötigsten Sachen und fahre zu einem Bekannten. Mit dem habe ich schon telefoniert. Bei ihm könnte ich dann erstmal ein paar Tage bleiben. Das ist ein Mordskerl, 'n dufter Kumpel. Nicht so'n Arsch, wie Marcel. " " Wer ist nun wieder Marcel ? " Pitti fragte nach und legte seine Hand auf meine, neben mein Whiskyglas. " Na das Arschloch , welches mich mit dem Möchtegern Bubi betrogen hat! Hab dir's doch erzählt. Hörst du mir denn nich.....hick ...icht zu? Mein Ex halt. Neuerdings. ". " Ja, das schon. Aber nicht, daß er Marcel heißt. " " Ist ja jetzt auch nicht so wichtig. Prost Pitti. Du scheinst ein lieber Kerl zu sein. Und gut ausschauen, tust du auch. Freut mich, daß ich dich kennenlernen durfte. " Mir war jetzt alles egal. Ich beugte mich zu ihm rüber und küsste ihn auf seine Wange. Ob das jetzt der Auslöser dafür war, was er daraufhin von sich gab, weiß ich nicht. Aber er meinte plötzlich: " Wow, das hat mir schon lange keiner mehr zu mir gesagt. Weißt du was? Ich habe bei mir noch ein Gästezimmer. Da könntest du heute Nacht schlafen. Dann bist du nicht auf der Straße. Es ist zwar ein warmer Sommerabend, aber mit einem Dach über'm Kopf schläft es sich doch viel gemütlicher. Aber ich warne dich. Mach dir keine Hoffnung. Anfassen ist nicht! " " Hätte ich auch nicht gemacht. Bin eh viel zu besoffen, als daß da noch was funktionieren würde. Aber ich bedanke mich recht gern für dein Angebot. Das werde ich nie vergessen. Prost, mein lieber Freund. " Unsere beider Gläser klangen leise, als sie sich berührten. Aus der Musikbox erklang der uralte Titel ' Zwei alte Freunde ', gesungen von Peter Alexander.

Fortsetzung folgt......